Viele Unternehmensgründer der Babyboomer-Generation planen den beruflichen Ausstieg und sind über die Preisvorstellungen möglicher Käufer entsetzt. Und nicht nur das. Sie unterschätzen dabei auch oftmals den Aufwand. Wer einen fairen Preis für sein unternehmerisches Lebenswerk erzielen will, muss den Verkauf gut vorbereiten und darf nicht unter Zeitdruck geraten. In dieser Rubrik berichten wir regelmäßig und praxisnah – mit Zahlen – über erfolgreiche Transaktionen.
Die Verkäuferin (Inhaberin eines Einzelunternehmens) suchte in 2019 einen Käufer für ihren Pflegedienst, den sie aus Altersgründen abgeben will. Die Suche und die Verhandlungsphase haben rund sieben Monate in Anspruch genommen.
Die Eckdaten
- Pflegedienst (Ballungsgebiet, Großstadt)
- durchschnittlicher Umsatz der letzten drei Jahre 970.000 Euro
- jährliche Umsatzsteigerung in den letzten drei Jahren rund 8,5%
- betrieblicher Gewinn pro Jahr (vor Steuern) in den letzten drei Jahren 213.000 Euro
- Büroausstattung, Verträge, Versicherungen und Fahrzeuge werden zum Stichtag übernommen
- Verbindlichkeiten (Steuern, Sozialversicherungen) werden von der Käuferin nicht übernommen
- Forderungen (Bankguthaben, Forderungen gegenüber Kassen etc.) werden nicht übernommen
- Betriebsübergang nach § 613a BGB (Weiterbeschäftigungsanspruch)
- die Verkäuferin steht nach dem Stichtag noch für zwei Monate (max. 300 Stunden) zur Verfügung
- Wettbewerbsverbot für 3 Jahre in einem Umkreis von 25 km
Das Verhandlungsergebnis
Erläuterungen und Hintergründe
Ambulante Pflegedienste verfügen üblicherweise über keinen hohen Substanzwert (erworbene Wirtschaftsgüter). Die Vermögensgegenstände beschränken sich oftmals, sofern nicht auch noch gemietet, auf Fahrzeuge, Einrichtungsgegenstände, Computer und Softwarelizenzen. Deren Summe zwar leicht zu ermitteln ist, aber nicht den Kaufpreis eines ambulanten Pflegedienstes darstellt. Der Kaufpreis eines Pflegedienstes orientiert sich normalerweise am Gewinn der letzten Jahre. In der Praxis wird der Jahresgewinn mit einem Faktor multipliziert, der unter Berücksichtigung kleinere Auf- und Abschläge zu einem Kaufpreis führt. Der Kaufpreis wird somit auf der Basis von Vergangenheitswerten ermittelt und dabei unterstellt, dass sich der Pflegedienst in Zukunft positiv entwickelt.
Aus Käufersicht ist zu fragen, welchen Aufwand hat der Käufer, um einen Pflegedienst aufzubauen, der über ein gleichwertiges Ertrags- und Zukunftspotential verfügt. Dieser Aufwand, der im Detail zu bewerten wäre, kann auch als obere Preisgrenze für einen ambulanten Pflegedienst aus Käufersicht bezeichnet werden. Hier werden u.a. auch die Kundenverträge (Patienten), das Organisationswissen, die eingespielte Pflegemannschaft sowie deren Vernetzung und Bekanntheitsgrad monetär bewertet. Der Bewertungsfaktor in Höhe von 3,5 ist Verhandlungssache und kann nicht auf jeden Pflegedienst angewendet werden. Die ursprünglichen Vorstellungen der Verkäuferin lagen bei einem Faktor von 5, den sie von einem befreundeten Pflegedienst erfahren hatte. Die Zahlen in diesem Beispiel wurde geringfügig – jedoch verhältnismäßig –angepasst, um mögliche Rückschlüsse auf einen bestehenden Pflegedienst zu vermeiden.