Essen/Berlin, 12. April 2011

Gemeinsame Presseerklärung
Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) und Kompetenz-Centrum Qualitätssicherung/Qualitätsmanagement der MDK-Gemeinschaft (KCQ)

Viele Patienten möchten gern mit der modernsten Methode behandelt oder dem modernsten Medizinprodukt versorgt werden. Was sie häufig nicht wissen: Nutzen und Schaden neuer Methoden oder Medizinprodukte werden in Krankenhäusern in aller Regel vorab nicht ausreichend evaluiert.

„Für die Patienten heißt das, dass in deutschen Krankenhäusern neue medizinische Verfahren zum Einsatz kommen, deren Nutzen noch nicht bewiesen ist oder die sogar ein höheres Risiko mit sich bringen als vergleichbare Behandlungen. Das ist nicht akzeptabel, denn nicht jede neue Methode oder jedes neue Verfahren bedeutet automatisch einen medizinischen Fortschritt. Wir brauchen deshalb eine Einführung solcher Verfahren unter kontrollierten Bedingungen und mit konkreten Vorgaben für eine Prüfung“, sagte Dr Monika Lelgemann, Leiterin des Fachbereichs „Evidenzbasierte Medizin“ beim Medizinischen Dienst des GKV-Spitzenverbandes anlässlich einer gemeinsamen Expertentagung der Sozialmedizinischen Expertengruppe „Methoden- und Produktbewertung“ der MDK-Gemeinschaft und des Kompetenz-Centrums Qualitätssicherung und -management am 12. April in Berlin.

Bewertung neuer Methoden bisher nicht einheitlich
Bevor ein Verfahren oder ein medizinisches Produkt in der ambulanten Versorgung angewendet oder verordnet werden kann, muss sein Nutzen durch Studien nachgewiesen sein. Dieser Nachweis ist Voraussetzung für einen positiven Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über die flächendeckende Einführung. Erst dann darf der niedergelassene Arzt das Verfahren anwenden oder verordnen. Anders im Krankenhaus: Im stationären Sektor ist prinzipiell alles erlaubt, was medizinisch machbar ist – außer es ist ausdrücklich verboten (Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt). Diese Regelung soll die Entwicklung und Verbreitung neuer Methoden fördern.

Einführung von Innovationen an Evaluation knüpfen
"Wir stehen beim Thema Innovationen vor der Situation, dass wir einerseits für die Patienten einen schnellen Zugang zu innovativen Methoden, die eine Verbesserung der Versorgung im Vergleich zur bisherigen Therapie bedeuten, wünschen. Und andererseits benötigen wir verlässliche Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit von Methoden“, so Lelgemann.

Ein aktuell diskutierter Ausweg aus diesem Dilemma liegt in der so genannten „bedingten Einführung“, die die Vergütung durch die gesetzliche Krankenversicherung an die Bedingung knüpft, dass verpflichtend eine Evaluation durchgeführt wird. In diese Richtung weist auch das vom GKV-Spitzenverband vorgeschlagene Innovationskonzept. Danach könnten Patienten im Rahmen von kontrollierten Studien mit dem innovativen Verfahren behandelt werden, und zwar in spezialisierten Einrichtungen, die ein tragfähiges und begründetes Studienkonzept vorlegen und auch durchführen können. „Wichtig ist aus unserer Sicht, dass dies im Rahmen von aussagekräftigen Studien erfolgt und dass die methodischen Vorgaben eingehalten werden, wie sie etwa in der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschuss vorgesehen sind. Aushandlungsprozesse zwischen einzelnen Krankenhäusern und Verhandlern vor Ort sollten zugunsten einheitlicher Vorgaben eingeschränkt werden“, betonte Lelgemann.

Sicherung der Versorgungsqualität auch nach der Einführung von neuen Methoden und bei etablierten Verfahren
„Häufig werden Patienten in der Routineversorgung im Krankenhaus aber mit Methoden versorgt, deren Nutzen und Risiken nicht ausreichend bekannt sind. Und: In allen Versorgungsbereichen steigt die Zahl von Verfahren und Medizinprodukten. Von den Leistungserbringern müssen entsprechend differenzierte Kompetenzen bei der Anwendung in der Regulärversorgung erwartet werden. In diesen Fällen sollen Qualitätssicherungsverfahren die Erkenntnisse der Methodenbewertung implementieren, weil nur so der geprüfte Mehrwert eines Verfahrens zuverlässig auch beim Patienten ankommt“, sagte Prof. Johannes Giehl, der Leiter des Kompetenz-Centrums Qualitätssicherung.

Qualitätssicherung muss wirksam sein
Angesichts der Zunahme von Qualitätssicherungsverfahren und einbezogener Leistungen sowie des Aufwandes, der sich daraus ergibt, ist ein Nutzenbeleg für die einzelnen Maßnahmen erforderlich. Weil dies Qualitätsmessung voraussetzt, ist künftig auch mehr Augenmerk auf die Validität von Qualitätsmerkmalen zu legen, z.B. in Form von Risikoadjustierung der Versorgungsergebnisse. „Insbesondere fehlt es derzeit an einer konsequenten Auswertung von Qualitätssicherungsmaßnahmen. Nur hierdurch ist der Nutzen für den oft erheblichen Aufwand nachvollziehbar. Verfahren ohne nachweisbaren Nutzen sollten modifiziert oder beendet werden“, forderte Giehl.

Hintergrund
Der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) berät den GKV-Spitzenverband in allen medizinischen und pflegerischen Fragen, die diesem qua Gesetz zugewiesen sind. Er koordiniert und fördert die Durchführung der Aufgaben und die Zusammenarbeit der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) auf Landesebene in medizinischen und organisatorischen Fragen.

Das Kompetenz-Centrum Qualitätssicherung und -management (KCQ) ist eine Einrichtung des GKV-Spitzenverbandes und der MDK-Gemeinschaft. Es ist beim MDK Baden-Württemberg angesiedelt. Das KCQ berät die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen und deren Verbände auf Bundes- und Landesebene und unterstützt die Medizinischen Dienste (MDK) in allen Systemfragen zur Qualitätssicherung.