Zum Jahresbeginn 2014 ist die neue Struktur im ärztlichen Bereitschaftsdienst im Land in Kraft getreten.
Nach einem Jahr ziehen die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) und die Krankenkassen eine positive Bilanz. KVBW-Vize Dr. Johannes Fechner sagte am Freitag in Stuttgart: „Mit der Reform des ärztlichen Bereitschaftsdienstes haben die Patienten heute am Wochenende und an den Feiertagen in allen Stadt- und Landkreisen bis auf Tübingen 114 zentrale Notfallpraxen als Anlaufstellen. Sie sind meist an Krankenhäusern angesiedelt. Diese Struktur hat sich bewährt und wird von den Patienten gut angenommen.“ Vor allem habe sich gezeigt, dass die neue Struktur für alle Beteiligten Vorteile mit sich bringe: „Durch die festen Anlaufstellen müssen die Patienten nicht mehr recherchieren, welcher Arzt Bereitschaftsdienst hat, sie können ohne Voranmeldung in eine der Notfallpraxen kommen und werden dort versorgt. Auch die längeren Anfahrtswege haben sich nicht negativ ausgewirkt. Wir gewährleisten, dass die Patienten in Baden-Württemberg innerhalb von etwa 30 Minuten eine Notfallpraxis erreichen. Rund 80% der Einwohner benötigen sogar nur weniger als 20 Minuten.“ Nach Fechners Worten ist die Zufriedenheit unter den Patienten hoch: „Wir haben im Oktober unter den Patienten eine Umfrage durchgeführt und die Zufriedenheit mit dem Service der Notfallpraxen abgefragt. Die Ergebnisse sind ausgezeichnet: In fast allen Kategorien haben die Patienten Bestnoten erteilt. Besonders freut es uns, dass die Freundlichkeit des Personals und die Behandlung durch die Ärzte hervorragend benotet wurden, das ist eine tolle Anerkennung für die Teams. Insgesamt 95% der befragten Patientinnen und Patienten würden die Notfallpraxis weiterempfehlen.“
Aber nicht nur für die Patienten, auch für die Ärzte und die Krankenhäuser habe die Reform große Vorteile mit sich gebracht: „Als wir 2011 mit der Reform begonnen haben, haben wir eine äußerst zersplitterte Struktur im Notfalldienst vorgefunden. Dies hat vor allem zu sehr unterschiedlichen Dienstbelastungen zwischen Stadt und Land geführt. Durch die Reform haben wir erreicht, dass die Ärzte nicht mehr als sieben Dienste im Jahr leisten müssen. In vielen Bezirken ist das eine drastische Reduzierung, da sie vorher teilweise mehr als 50 Dienste im Jahr hatten. Und die Krankenhäuser profitieren davon, weil wir ihre Notfallambulanz entlasten, so dass die dort tätigen Ärztinnen und Ärzte sich um die Patienten kümmern können, die auch wirklich eine Behandlung durch das Krankenhaus benötigen.“
Dr. Christopher Hermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg, betonte: „Wir haben den Reformansatz der KVBW von Anfang an unterstützt. Wir sehen hier ein großes Potenzial in der Zusammenarbeit zwischen den ambulant tätigen Ärzten und den Krankenhäusern, die zu effizienteren Strukturen führt. Deshalb hat alleine die AOK Baden-Württemberg 2014 und 2015 jeweils rund 5 Millionen Euro für die Finanzierung bereitgestellt. Wir kommen damit – im Gegensatz zu den privaten Krankenversicherungen – unserem Beitrag nach. Außerdem begrüßen wir, dass die Notfallversorgung selbstverständlich auch die Versorgung der Patienten in den Selektivverträgen umfasst.“
Für die B 52-Verbändekooperation Baden-Württemberg, zu der der BKK Landesverband Süd, die IKK classic, die Knappschaft und die Ersatzkassen gehören, stellt die Reform des Notfalldienstes einen wichtigen Baustein in der Versorgung dar. Der Leiter des Verbands der Ersatzkassen (vdek) - Landesvertretung Baden-Württemberg, Walter Scheller, stellte für die B 52-Verbändekooperation fest: „Für uns sind der Nutzen und die Verbesserung der Versorgung unserer Versicherten das Entscheidende. Wir wissen, dass der Notfalldienst für die niedergelassenen Ärzte eine große Belastung darstellt. Umso mehr begrüßen wir die Reform, weil sie durch die gleichmäßige Verteilung der Notfalldienste die Attraktivität des Arztberufes erhöht und damit einen Beitrag leistet, dass junge Mediziner sich auch in Zukunft in Baden-Württemberg niederlassen. Schließlich wissen wir aus zahlreichen Untersuchungen, dass für junge Mediziner die Belastung im Notfalldienst zu den Hauptkriterien für die Entscheidung über die Niederlassung gehört. Aus diesem Grund stellen wir für die Neuorganisation des Notfalldienstes jährlich über 6 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung.“
Nach Fechners Worten hat das Projekt für die KVBW richtungsweisende Bedeutung. „Es ist das größte Projekt, das die KVBW bislang durchgeführt hat, die Reform hat nachhaltige Auswirkungen nicht nur für die Versorgung, sondern auch für die KVBW. Wir sind dadurch zentraler Dienstleister für unsere Mitglieder geworden, denn fast alle neu gegründeten Notfallpraxen sind in der Trägerschaft der KVBW, die damit sowohl das Personal als auch die Räumlichkeiten und die Ausstattung stellt. Wir bieten den Ärzten im Fahrdienst einen eigenen Fahrservice an und haben die Finanzierung auf eine transparente und einheitliche Basis gestellt. Die KVBW entlastet damit die Ärzte von vielen bürokratischen Aufgaben im Notfalldienst. So dass sich die Ärzte nur noch um das kümmern müssen, was eigentlich ihre Aufgabe ist: Patienten zu behandeln.“
Fechner erläuterte den weiteren Fortgang der Reform: „Wir haben im fachärztlichen Bereich noch ein paar wenige Notfallpraxen, die wir gründen müssen. So wird am 1. Februar noch eine kinder- und jugendärztliche Notfallpraxis in Bad Mergentheim an den Start gehen. Auch eine Notfallpraxis in Tübingen werden wir wohl in diesem oder im nächsten Jahr gründen. Kurz vor Weihnachten haben wir mit den Landesverbänden des Deutschen Roten Kreuzes eine Vereinbarung über die Vermittlung der Anrufe geschlossen. Ab April 2015 werden damit alle Anrufe über die Leitstellen des DRK disponiert, so dass wir die Einsätze mit dem Notarzt und dem Rettungsdienst koordinieren können. Danach können wir die zentrale Rufnummer 116117 in Baden-Württemberg freischalten.“
Der KVBW-Vize dankte den Krankenkassen für die große Unterstützung dieser Reform. „Wir wissen sehr wohl, dass eine solche Reform immer auch zu Unruhe unter den Patienten und Versicherten führt. Umso dankbarer sind wir den Krankenkassen für ihre Unterstützung.“ Fechner hob weiter die gute Zusammenarbeit mit der Politik und den Krankenhäusern hervor. „Wir haben sehr früh die Abgeordneten des Landtages, aber auch die Bürgermeister und Landräte mit einbezogen. Alle diese Maßnahmen haben dazu geführt, dass wir eine solch umfangreiche Reform mit zahllosen lokalen Interessen weitgehend geräuschlos durchführen konnten.“